"Bochumer Verein" gießt die Stahlglocke
Die Glocke aus Stahl ist schlicht gestaltet. Gegossen wurde sie vom „Bochumer Verein“, ein Unternehmen, das heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Auf ihrer Vorderseite prangen die Jahreszahlen 1848-1948, darunter folgt die Inschrift:
DAS RAD DES GESETZES DREH SICH / OHN UNTERLASS – GREIF NICHT HIN / EIN IN DIE SPEICHEN /
Unter der Inschrift ist ein Radkreuz zu sehen. Den unteren Rand der Glocke ziert der Frankfurter Adler mit Krone auf dem Haupt. Ein Relief rechts zeigt einen herabfahrenden, geißelschwingenden Racheengel, ein weiteres Relief links zeigt einen knieenden, versöhnenden Engel.
Auf der Rückseite findet sich die Inschrift:
MICH GOSS DER BOCHUMER VEREIN FÜR GUSSSTAHLFA- / BRIKATION AG ZUR JAHRHUNDERTFEIER DER ERSTEN / NATIONALVERSAMMLUNG ZU FRANKFURT AM MAIN / GESTIFTET VON DER VEREINIGUNG DER INDUSTRIE- UND / HANDELSKAMMERN DER BRITISCHEN BESATZUNGSZONE
Am unteren Rand ist zu lesen:
WIR GEHÖREN EINEM VOLKE AN UND DIE STÄMME / SIND VERSCHMOLZEN + PRÄSIDENT H. V. GAGERN
Die Glocken aus Apolda
Die vier kleineren Glocken aus Bronze, die die Jahrhundertglocke flankierten, stammen von der Gießerei Schilling im thüringischen Apolda. Sie ziert die Inschrift:
+ ZUR / JAHRHUNDERTFEIER / DER ERSTEN DEUTSCHEN / NATIONALVERSAMMLUNG / 1848-1948 / GOSSEN MICH IM NOTJAHR 1948 / FRANZ SCHILLING SÖHNE APOLDA / THÜRINGEN SOWJETISCHE BESATZUNGSZONE DEUTSCHLANDS /.
Darunter findet sich in kursiven Buchstaben der Ruf LIBERA NOS DOMINE, eine Formel, die Tradition war bei der Firma Schilling.
Schiller. Das Handwerk. Die Glocke
Friedrich Schillers (1759-1805) „Das Lied von der Glocke“ zählt bis heute zu den Meisterwerken deutscher Lyrik. Unzählige Generationen haben es auswendig gelernt, analysiert und interpretiert. Entstanden ist es 1799. Mit „Von der Stirne heiß / Rinnen muß der Schweiß“ beschreibt Schiller die Kraft, die Handwerk ausmacht. Bis heute.Insbesondere der Beginn des Textes ist ein Klassiker des Deutschunterrichts:
Das Lied von der Glocke
Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango.
Fest gemauert in der Erden / Steht die Form aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden! / Frisch, Gesellen, seid zur Hand!
Von der Stirne heiß / Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben; / Doch der Segen kommt von oben.
Zum Werke, das wir ernst bereiten, /Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten, / Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,/ Was durch die schwache Kraft entspringt;
Den schlechten Mann muss man verachten, / Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist’s ja, was den Menschen zieret, / Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret, / Was er erschafft mit seiner Hand.
Nehmet Holz vom Fichtenstamme, / Doch recht trocken laßt es sein,
Daß die eingepresste Flamme / Schlage zu dem Schwalch hinein!
Kocht des Kupfers Brei! / Schnell das Zinn herbei,
Daß die zähe Glockenspeise / Fließe nach der rechten Weise!
Was in des Dammes tiefer Grube / Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
Hoch auf des Turmes Glockenstube, / Da wird es von uns zeugen laut.
Noch dauern wird’s in späten Tagen / Und rühren vieler Menschen Ohr,
Und wird mit den Betrübten klagen / Und stimmen zu der Andacht Chor.
Was unten tief dem Erdensohne / Das wechselnde Verhängnis bringt,
Das schlägt an die metallne Krone, / Die es erbaulich weiter klingt.