Handwerk holt Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“

Als ihr Vater sie fragte, ob sie sich den Einstieg in den Familienbetrieb vorstellen könnte, bat sie um eine Art „Probejahr“. „Mir war wichtig, dass beide Seiten ausloten, ob es passt. Gerade in einem Familienunternehmen ist es wichtig, sich die verschiedenen Rollen bewusst zu machen – Familie und Unternehmertum. Das muss klar sein.“
Digitalisierung managen
Seit 65 Jahren gibt es das Familienunternehmen Ernst Krastel. Der Betrieb bietet Planung und Handwerk für Wasser, Wärme und die Energiewende. Bereits während ihrer Probezeit merkt Viktoria Krastel schnell, „wie krass viel Spaß Handwerk macht“. Sie schaut sich innerbetriebliche Prozesse an, lotet Verbesserungspotenziale aus, entdeckt die Herausforderung Digitalisierung und die Zukunftsaufgabe Mitarbeitermanagement. Dann fällt die Entscheidung: „Handwerk ist cool. Ich probiere das jetzt einfach.“
Inzwischen lenkt die junge Frau seit Anfang dieses Jahres als Geschäftsführerin an der Seite ihres Vaters die Schritte des Unternehmens. „Aus meinem Umfeld kamen spannende Reaktionen“, erinnert sich Viktoria Krastel: „Viele waren irritiert. Aber das zeigt auch, wie unsere Gesellschaft über Handwerk denkt.“ Mit vielen Vorurteilen sei sie konfrontiert worden. „Aber meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist.“ Sie schätzt, im Firmenalltag gestalten und Ideen direkt umsetzen zu können. „Der direkte Hebel ist es, der mich am meisten begeistert. Das ist total inspirierend.“ Auch mit Konflikten wurde sie konfrontiert. „Man wird in eine ganz andere gesellschaftliche Blase hineingeworfen. Da kommt es schnell zu Missverständnissen. Aber gerade daraus kann man im Umgang miteinander viel lernen.“
Visionen für Betrieb und Gewerk
Inzwischen genießt die 32-Jährige ihre Gestalterrolle, in der sie sich sieht. „Ich habe Visionen für unser Unternehmen und unser Gewerk“, sagt sie. In Worte gefasst? „Wir arbeiten am und für das Handwerk der Zukunft.“ Eine Idee, die Viktoria Krastel auf drei Säulen stellt: innovative Technologie, optimierte digitale Prozesse, und im Mittelpunkt steht der Mensch. „Es geht um Erfüllung, um Freiheit, auch um ein weiblicheres Handwerk. Wir müssen weg von Geschlechterklischees und New Work für das Handwerk übersetzen.“
Das Aufbrechen alter Strukturen sei eine Herausforderung und koste Kraft. „Das bedeutet, dass man aus seiner eigenen Komfortzone auch heraus muss“, gibt sie zu bedenken. „Aber nur so kann man etwas bewirken und erstarrt nicht in alten Rollen und Strukturen.“
Bestätigung für ihre Überzeugung bekam Viktoria Krastel bei der Gala zur Verleihung des Gründerpreises in Kassel: „Gründerinnen und Gründer schaffen Arbeitsplätze und Wohlstand, sie finden Produkte und Lösungen für aktuelle Herausforderungen“, betonte dort Hessens Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Tarek Al-Wazir, zugleich Schirmherr des Gründerpreises. Neben der Ernst Krastel GmbH aus Mörlenbach wurden in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ außerdem die GN Schweißtechnik aus Eiterfeld (Kreis Fulda) sowie Plettenberg Elektromotoren aus Baunatal ausgezeichnet.
Fotos: privat